Sophie saß in ihrem geheimen Versteck, dem Einbauschrank in ihrem Zimmer. Immer, wenn ihre kleine Welt aus den Fugen geriet, zog sie sich dorthin zurück. In letzter Zeit war das oft der Fall, denn Sophie hatte kein leichtes Leben in ihrer Familie mit drei Brüdern. Bis vor kurzem hatte sie zwei Brüder gehabt, das war schlimm genug, und seit neustem gab es einen dritten. Als die Mutter aus dem Krankenhaus nach Hause kam und ihnen das neue Geschwisterchen vorstellte, schien die Welt noch in Ordnung, doch dann nannte sie das in eine himmelblaue Decke gewickelte Wesen „Max“. Sophie weinte bitterlich. Man hatte sie belogen, ihr ein Geschwisterchen versprochen und nun war es ein Gebrüderchen geworden.
(Ab hier sollten wir weiter schreiben)
Sophie flüchtete in ihr geheimes Versteck und kam bis zum Abendessen nicht mehr heraus. Ihr Vater versuchte vergeblich sie davon zu überzeugen, dass ein weiterer Bruder doch gar nicht so schlimm war, da sie nun nicht mehr die Jüngste sei. Doch Sophie kümmerte es reichlich wenig, was ihr Vater zu sagen hatte. Beim Abendessen stritten die älteren Brüder darüber, wer denn jetzt das letzte Stück Fleisch bekommen würde, ihr Vater hatte alle Hände voll zu tun ihre Geschwister auseinander zu halten, damit sie sich nicht am Tisch prügelten und ihre Mutter war mit dem weinenden Max beschäftigt, der einfach keine Ruhe geben wollte. Obwohl das Haus voll war fühlte sie sich einsamer denn je. Ihr Teller war noch halb voll, da stand sie auf und verschwand in ihrem Zimmer. Normalerweise hätte es ärger gegeben, doch auf sie achtete niemand. Sie nahm sich ein paar Blätter und Stifte mit in den Schrank und malte dort, bis es draußen bereits lange dunkel geworden war. Irgendwann waren ihre kleinen Augen so gereizt und sie so müde, dass sie es nicht mehr bis zum Bett schaffte und einfach dort im Schrank einschlief. Am nächsten Morgen wurde sie von den besorgten rufen ihrer Mutter geweckt. „Sophie?! Wo bist du?!“. Noch halb am Schlafen kroch Sophie aus dem Schrank heraus, gerade als ihre Mutter zur Tür herein kam. „Ich habe dir doch schon 100 mal gesagt, dass du nicht im Schrank schlafen sollst!“ meckerte die Mutter. Kaum ausgesprochen ertönte auch schon wieder die Kleinkind-Sirene. Blitzschnell war ihre Mutter wieder aus dem Zimmer verschwunden und Sophie war erneut allein. „Jetzt reicht es!“ sagte sie entschlossen zu sich selbst. „Dieser blöde Max! Das ist alles seine Schuld!“. Sophie schmiedete den Rest des Tages einen Plan, wie sie ihren kleinen Bruder los werden konnte. Nach dem Abendessen ging sie, wie immer, in ihr Zimmer und wartete, bis alle im Haus schliefen. Dann schlich sie sich heimlich den Flur entlang, ging in das Zimmer ihrer Eltern und wollte Max gerade aus seinem Kinderbettchen nehmen, als sie feststellte, dass sie zu klein war. Also versuchte sie an dem Bett hoch zu klettern, doch ihr fehlte die Kraft. Dann sah sie den Karton, der unterm Bett stand. Er musste noch vom Umzug übrig geblieben sein, dachte sie. Leise zog sie den Karton unter dem Bett hervor, stellte ihn vor das Kinderbett und stellte sich drauf, als sie plötzlich mit einem Ruck auf dem Boden lag. Glücklicherweise hatten ihre Eltern einen tiefen und festen Schlaf, sodass sie nicht von dem Geräusch wach wurden. Verzweifelt überlegte Sophia, wie sie an Max dran kommen könnte, als ihr der Stuhl auffiel, auf dem ihr Vater immer seine Kleidung platzierte, wenn er zu Bett ging. Die Kleidung legte sie so leise wie möglich auf den Boden, zog den Stuhl bis zum Kinderbett, kletterte auf den Stuhl und schließlich runter zu Max. Sie nahm ihn in den Arm und wollte gerade wieder heraus klettern, als der Kleine sie mit engelsgleichen Augen ansah. Plötzlich spürte Sophia, wie anstrengend ihre Bemühungen gewesen waren. Sie dachte, dass eine kurze Pause vielleicht gar nicht schlecht war. Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gebracht, war sie auch schon eingeschlafen. Ihren kleinen Bruder hielt sie schützend im Arm.